Fortsetzung der erfolgreichen Forschungszusammenarbeit für den Kulturerbeschutz
Ultraschall im Dienst musealen Kulturerbes
Ab März 2020 wird die erfolgreiche Zusammenarbeit zum Erhalt des Kulturerbes im Rahmen der „Forschungsallianz Kulturerbe“ (FALKE) in einer zweiten Phase fortgeführt. Dabei werden verstärkt auch regionale Partner aus dem Bereich der Pflege von und Forschung an Kulturerbe eingebunden. Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT bringt seine Expertise im Bereich des technischen Ultraschalls ein.
Das Thema Kulturerbe ist mittlerweile hoch auf der politischen Agenda der EU angesiedelt, was sich unter anderem darin zeigt, dass es im nächsten Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe (2021-2027) prominent mit dem Thema Sicherheit und Klimawandel in Verbindung gebracht wird. Das Kulturerbe ist in Gefahr – der Klimawandel mit zunehmenden Extremwetterereignissen, aber auch menschengemachte Katastrophen wie der Brand der Kathedrale Notre Dame in Paris vor einigen Monaten und vor allem der boomende Massentourismus bedrohen ganz akut das kulturelle Erbe. Um diese Herausforderungen zu meistern, braucht es Forschung und technologische Entwicklung: Nachhaltige Konservierungsmaterialien, neue Analysemethoden, sozioökonomische Studien und vor allem neue Digitalisierungstechnologien und Künstliche Intelligenz.
In Deutschland und Europa kommt vor allem der Fraunhofer-Gesellschaft eine besondere Rolle zu, mit ihrer innovativen technologischen Forschung zur Erhaltung unseres kulturellen Erbes und zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Die Forschungsallianz Kulturerbe (FALKE) bestehend aus Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft, der Leibniz Forschungsmuseen, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat sich seit ihrer Gründung 2008 zur Aufgabe gemacht, Innovationen und Technologien für den Erhalt unseres kulturellen Erbes bereit zu stellen und neu zu entwickeln. Das betrifft neben den Ingenieurswissenschaften vor allem auch die Disziplinen der Kunstgeschichte und -rezeption sowie den Gewerken der Restaurierung und Konservierung.
Im Rahmen des »Kulturerbe I«-Projekts, das von 2015 bis 2019 von der Forschungsallianz FALKE durchgeführt wurde, wurden unter anderem Verfahren für die Digitalisierung von und Schadensdetektion an Kunstobjekten entwickelt. Das Ziel war dabei die Mobilisierung von bestehenden Verfahren, sodass sie direkt vor Ort in den Ausstellungsräumen von Museen eingesetzt werden können. Dazu gehören Verfahren wie Fotogrammetrie, Strukturiertes Licht, Terahertz-Technologie, konfokale Mikroskopie und Ultraschalltomografie. Bemerkenswert an dieser Stelle ist der Einsatz der Mikroskopie an antiken Skulpturen zum Aufzeigen von Farbresten, da, wie auch eine aktuelle Ausstellung im Liebieghaus in Frankfurt mit dem Titel »Bunte Götter« zeigt, antike Skulpturen zum großen Teil farblich gefasst waren.
Im März 2020 wird nun als Fortsetzung das »Kulturerbe II«-Projekt gestartet. In einem der enthaltenen Teilprojekte sollen nun die Digitalisierungs- und Analysemethoden aus den Hallen der Museen ihren Einzug in das urbane und ländliche Umfeld finden. Unsere Innenstädte und die umgebenden Landschaften sind angefüllt mit Kulturerbe, das unter den eingangs genannten Bedingungen erhalten und gepflegt werden möchte. So sind z. B. die Dokumentation des aktuellen Zustands und die multimodale Dauerüberwachung (Monitoring) wichtige Werkzeuge, die dabei zum Einsatz kommen werden. Dank einer vollständigen, dreidimensionalen digitalen Erfassung der Kathedrale Notre Dame in Paris ist das historische Erbe dokumentiert und virtuell erhalten, unabhängig davon, wie der Wiederaufbau gestaltet wird. Mit entsprechenden Darstellungsmethoden ist es möglich, die Kathedrale virtuell und interaktiv zu erleben. Als Fortsetzung ihrer Arbeit im »Kulturerbe I«-Projekt wird die Fraunhofer-Gesellschaft Verfahren aus dem Bereich Ultraschall, Fotogrammetrie, Strukturiertes Licht, Terahertz-Technologie und konfokale Mikroskopie für den Außeneinsatz weiterentwickeln. Dabei ist z. B. der Einsatz in Kombination mit Drohnentechnologie angedacht, sodass aufwendige und extrem teure Einrüstungen von Gebäudeteilen für die Digitalisierung und Schadensanalyse ersetzt werden können.
Eine der Aufgaben des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik IBMT ist dabei der Einsatz der Ultraschalltechnik für die Schadensdetektion an Gebäudeteilen aus Stein. Ein Schwerpunkt in der Fortsetzung des Projekts spielt dabei die Einbindung lokaler Partner mit Bezug zum regionalen Kulturerbe. Für die Arbeiten im urbanen Umfeld konnten dabei das Institut für Steinkonservierung (IFS) in Mainz sowie das Landesdenkmalamt Saarland gewonnen werden. Das IFS in Mainz ist zuständig für das Saarland und tritt nicht erst dann in Erscheinung, wenn es in der Region zu Bergschäden an historischen Gebäuden infolge des Bergbaus kommt. Das IFS führt das sogenannte Natursteinkataster, in dem es die an historischen Gebäuden in seinem Zuständigkeitsgebiet verwendeten Natursteine erfasst und untersucht. Ein Ziel des Projekts ist diese Sammlung mit Hilfe von Ultraschall akustisch zu charakterisieren und durch den Vergleich mit Messungen an den Gebäuden selbst, Veränderungen aufgrund klimatischer Veränderungen aufzuzeigen.
Mit der gleichen Fragestellung werden zusammen mit dem Landesdenkmalamt Saarland Messungen an historischen Gebäuden und Fragmenten antiker Bauwerke und Kunstobjekten aus Sandstein durchgeführt. Neben der Ultraschalltechnik kommt dabei auch die Terahertz-Technik zum Einsatz, mit der das Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern arbeitet. Im Gegensatz zur Ultraschalltechnik können mit ihr Objekte berührungslos durchstrahlt werden. Beide Methoden liefern dabei komplementäre Informationen über den Zustand und die innere Struktur der untersuchten Objekte. Ergänzt werden die beiden Technologien durch die 3D-Oberflächenerfassung mit der Fotogrammetrie und Strukturiertem Licht, sodass ein sogenannter »digitaler Zwilling« des Objekts entsteht, der den aktuellen Zustand dokumentiert und für vergleichende, zukünftige Untersuchungen genutzt werden kann.
Das Projekt wird intern auf Empfehlung des Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft als Vorstandsprojekt gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Technologietransfer - Ultraschallsystem zur schnellen Schadens- und Materialanalyse
Das Fraunhofer IBMT profitiert in besonderer Weise vom Technologietransfer zwischen biomedizinischem und technischem Ultraschall. Ein- und mehrkanalige Elektroniken wie das in der Hauptabteilung Ultraschall entwickelte Digital Phased Array-System (DiPhAS) können durch optimierte Ausgangsstufen für höhere Leistungsbereiche ertüchtigt werden. In der medizinischen Diagnostik etablierte Verfahren zur Bildgebung und Tomographie werden durch neue Ansätze der Signalverarbeitung für die Riss- und Fehlstellendetektion erweitert, um z. B. Skulpturen auf innere Schäden (Risse, Korrosion an Armierungen, etc.) zu untersuchen. Die dazu notwendigen Ultraschallwandler werden auf die Materialeigenschaften der Untersuchungsobjekte wie Marmor oder Sandstein angepasst und für den dreidimensionalen Ultraschall entwickelte Techniken zur automatisierten und schnellen Positionserfassung der Sensoren genutzt, denn die traditionell manuell durchgeführte Ultraschalltomographie kann je nach Skulptur mehrere Tage dauern. Dies ist der variablen Oberflächengeometrie, den möglichen Wandlerpositionen und der komplexen Datenanalyse geschuldet. Durch die Entwicklung eines schnellen, automatisierbaren und denkmalschutzkonformen Messablaufs wäre es erstmalig möglich, größere Arsenale von Skulpturen zu vermessen und die Ergebnisse sowohl der Öffentlichkeit als auch Wissenschaftlern digital zur Verfügung zu stellen.